Dienstag, 22. März 2016

2016_03_22

Hungerstreik und angekündigte Selbstentzündung

Ein schwarzer Tag. Demonstrationen und Hungerstreik. NGO’s hatten sich aus Selbstschutz zurück gezogen, ebenfalls aus Protest gegen die Vereinbarungen zwischen der EU und der Türkei.

Montag, 21. März 2016

2016_03_21 Newroz und Hungerstreik

Es kommen offenbar noch immer Boote an. Morgens buche ich einen Flieger von Thessaloniki nach Chios. Ich werde von Dienstag bis Freitagmorgen weg sein.
Bayan und das Baby sind sicher.

Heute ist Newroz, das Kurdenfest. Ich fürchte Ärger. Kamera und Blitz sind bereit. Hoffentlich zerstört mir die keiner. Nicht alle wollen fotografiert werden.

Später stellt sich heraus, dass das Fest aus Sicherheitshalber abgeblasen wird.

Mittags erhalte ich die Nachricht, dass Mutter, Schwestern und ein Schwager eines Flüchtlings aus meinem Ort in Deutschland auf Lesbos gelandet sind. Am 19.03., ganz schön knapp. Natürlich werde ich alle meine Kräfte einsetzen, um den Leuten zu helfen. Nach einer Stunde habe ich vier Schlafsäcke, Isomatten, Decken, Regencapes und Extrasocken organisiert. Die Sachen kann ich bei Sabris Familie deponieren. Ein Anruf auf Lesbos. Kommt runter von der Insel und ich hole euch auf dem Festland ab.

Der Flug nach Chios ist abgeblasen.

Abends :
Idomeni (ks). Tumult im Lager mischt sich mit bizarren Szenen. Die Menschen versammeln sich Bahnübergang stöhnen auf. Iraker, Syrer, Afghanen fordern im Chor "Open the border", die Grenze soll endlich öffnen. Es sind Männer Frauen und Kinder, junge und alte. Einer hockt im Rollstuhl dabei, eein Baby wird in die Luft gehalten. "Wir werden hier wie Tiere gehalten", schreit ein Junge verzweifelt auf. Mir schwappt eine Flüssigkeit an die Wade und die Jeans saugt sich voll. Kurz darauf riecht es nach Benzin. Wenn mich die Leute fragen, wo ich herkomme und ich Alemania antworten, schauen sie mich an wie eine Heilige. 
Dann wechselt der Ruf der Menge in "No, water, no food" und der Hungerstreik ist beschlossen. Aber bitte nicht auch die Kinder! 
Die Menge geht zu den Polizeibeamten, welche die Grenze bewachen. Ewa 20 Leute verständigen sich mmit Blicken und Gesten, wir bilden eine Menschenkette und schützen so die Polizei davor angerempelt zu werden. Die griechischen Polizisten sind äußerst freundlich, das bleibt von den Flüchtlingen nicht unbemerkt. Eine griechische Reporterin versucht ein Interview zu führen, das nach einigen Versuchen wohl geingt. Dann kommt sie auf mich zu und will meine Meinuung als Deutsche hören. Klar, soll die Grenze öffnen. Die Menschen müssen aufatmmen können. Wenigstens für die Flüchtlinge die jetzt in Griechenland hocken. 45.000 sind es. Wo bitte ist das Problem? 
Dann springt Abdul dazwischen. Abdul ist ein erst 20 Jahre alter Syrer. Er legt sich auf den Boden in den Dreck, kündigt an, dass er sich am nächsten Tag Selbstentzünden möchte, falls die Border nicht geöffnet ist. Daher kam der Benzingeruch. Ich gehe dazwischen, halte Abdu an den Schulltern, schaue ihm in diie Augen und erkläre, dass er diesen Scheiß bleiben soll. Wie weit treibt die Menschen Verzweiflung? Ein paar Jungs übersetzen. Polizeifahrzeuge fahren an den Bahnübergang. Ohne Absprache werden wieder Menschenketten gebildet, Hand in Hand wird Wand gebaut, um eine Gasse für die Fahrzeuge zu billden. "We love you, Police", rufen die Flüchtlinge im Chor. Oh Mann. In der Nacht wollen sie mit ihrren Familien auf den Schienen schlafen. 























2016_03_20 Idomeni mit Sonne

Bayan habe ich mit dem Baby ins Hotel gestopft. Das hat den Vorteil, dass auch ich ein Bett bekommen habe. Mein Rücken freut sich.

Die Sonne scheint in Idomeni und gute Laune hängt über dem Lager. Endlich können die nassen Klamotten trocknen. Heute fotografiere ich mit Schwerpunkt Kinder.

Die Kurden freuen sich auf ihr Neujahrsfest, Newroz. Für morgen stehen ein großes Lagerfeuer an und Tänze.

Die Arab-Syrer sehen das kritisch. Ein junger Mann erklärt mir,dass er der einzige überlebende seiner Familie sei. In so einer Zeit zu tanzen, das sei ein Frevel. Aber ich sehe Kinder lachen und tanzen.

Hoffentlich gibt es morgen keinen Ärger. Ich fürchte es aber.

Ich habe eine Box Schuhe dabei, Größe 37 bis 43. Schnell habe ich einen Traube von 30 Flüchtlingen um mein Auto. Schuhe sind hier Gold wert.

Beim Gang übers Lager treffe ich Volunteers aus Opatovac. Bald jede Familie lädt mich zum Verweilen ein und zum Essen. Sie haben kaum genug selbst und teilen noch. Davon können sich manche eine Scheibe abschneiden. Aber immer wieder die Frage, wann die Grenze öffnet.
Bitte lass es geschehen.

Abends mit Sabris Familie am Lagerfeuer. In einem kleinen Topf über dem Feuer hat Zahfat Kaffee gekocht. Wir unterhalten uns, obwohl sie kurdisch sprechen und ich englisch. Ich bringe Ihnen ein paar deutsche Wörter bei und wir üben zählen. Der kleinen Maus zeige ich wie sie ihre Schuhe binden kann. Es ist arschkalt.






2016_03_19 Thessaloniki

Mein Afghane hat sich gemeldet. Ich kann seinen Namen hier nicht preisgeben und nenne ihn Mohammed. Er floh wegen Turbulenzen aus Idomeni, ist jetzt in Thessaloniki.

Er sendet mir einen Hilferuf zu. Ich fahre nach Saloniki. Er möchte sich einem Schlepper anvertrauen. Für 1000€ soll es nach Deutschland gehen. Vielleicht auch über Albanien? Ich habe große Sorge. Unterstütze ihn wo es geht und mit allen Mitteln.

Komm mich bloß besuchen, wenn du Deutschland erreichst. Pass auf dich auf, take care!

Meine Gedanken sind bei dir.


2016_03_18 Idomeni

Idomeni (ks). Saleh stapft vom Zelt in den modrigen Wiesen durch den Schlamm Idomenis. Die Nässe und der Schmodder dringen durch seine alten zerfledderten Schuhe Größe 28, weichen die Treter nur um ein Weiteres auf. Salehs Füßchen sind aufgequollen. Socken? Fehlanzeige. Das Thermometer zeigt an diesem Morgen fünf Grad an. Die Jeans und das Hemdchen sind seit Wochen vom stinkenden Dreck verspritzt. Der Reißverschluss an Salehs rosa Jacke ist gekracht. 
Über 10000 Menschen warten dort nach wie vor, etwa die Hälffte davon sind Kinder. Der Grenzzaun von Mazedonien prangt im Hintergrund. Eine Mutter wäscht das Gesicht ihres etwa zweijährigen Mädchens mit dem Wasser aus einer Lache. Der Boden ist in der warmen Jahreszeit eigentlich ein Maisfeld. Windschief stehen zig Igluzelte darauf. Einige sind mit Rettungsdecken oder alten Planen überzogen, weil sie selbst nicht dicht genug sind. Wasser dringt von unten in die Zelte ein. Kleidung wird auf provisorischen Wäscheleinen an Hecken oder am Stacheldrahtzaun zum Trocknen aufgehängt. Irgendjemand bringt eine Lastwagenladung Holz. Sofort stürzen sich die Flüchtlinge auf die kostbare Fracht. In Mülltonnen werden die Hölzer an die Zelte gekarrt. Manche Menschen laden das Brennmaterial auf alte Laken, schleppen so das koostbare Gut hinter sich her. "Nach zehn Minuten ist alles Holz verschwunden", sagt Tamim auf Englisch, grinst verzweifelt. Der Afghane ist 19 oder 20 Jahre alt, genau weiß er es nicht. Die Männer versuchen mit dem nassen Holz Lagerfeuer anzuzünden. Dazu verhelfen soll alter Plastikmüll, beißend hängt der Qualm in Schwaden über dem gesamten Lager in Idomeni. Sie mischen sich mit dem Nebel der aus der Wiese aufsteigt. 
In der Nacht hatte es wieder geschüttet, jetzt nieselt es nur ganz leicht. Ein fahrender Kioskhändler hat seine Bude geöffnet, Angelus. "Sabach al chaer", sagt Saleh und blickt den Händler hoffnungsvoll an. "Please water", keucht der Kleine heiser, hustet und Angelus bricht es um ein Weiteres das Herz. Wenn niemand sieht, dann verschenkt er Wasser oder auch eine Portion "Patata", Pommes mit Ketchup in einer Alufolie. Die achtjährige Merjem leckt das restliche Fett von der Folie ab. Es wird lebendig im Flüchtlingslager. Unter einem kleinen Pavillon wurden Elektrokabel installiert, dort werden die Handys geladen. Mit etwas Glück kommt man über die beiden Hotspots in dieser Ecke Internetempfang, Kontakt zur Familie. Viele haben Verwandte in Deutschland. 
Nach wochenlangem Ausharren hoffen die Syrer, Aghanen, Pakistani und Iraker endlich weiter nach Alemannia zu kommen. Väter, Mütter und Kinder, die es als Vorrreiter nach Deutschland geschafft haben, werden dort fast verrückt vor Sorge. Auch Salehs Baba ist in Deutschland. Seinen Asylantrag hat er im September gestellt - und wartet noch immer auf Antwort. Zurück kann Salehs Mutter Ahlam nicht. Das Haus in Raqqa wurde von russischen Bomben zerstört. Der Pässe waren im Schutthaufen nicht mehr zu finden. Aber eine Identify Card aus Syrien trägt Ahlam dabei. Die Card wird doch sicher ausreichen, hofft die 28-jährige Geschichtslehrerin. 
"The border is open!", ruft ein junger Syrer und sein Gesicht strahlt. Alle Menschen springen auf und jubeln. Eine Journalistin ist für ein Interview mittendrin. Sie schaut ungläubig auf , wägt ab, sieht die lachenden Gesichter - und bricht vor lauter Erleichterung in Tränen aus. Mit nassen Wangen sucht sie imInternet nach einer Bestätigung. Die kommt nicht. Es war ein Fake. Weiter vorne trifft gerade einer der Hilfstransporter mit Essenstüten in Idomeni ein. Das Team, bestehend aus freiwilligen Helfern quer aus Europa, engagiert sich seit Wochen am Hotspot mit Herzblut und belegten Broten, wo die EU humanitär bitter versagt. Binnen Sekunden wuselt eine Menschentraube um den Van. "Please Mister, more. Baby, Baby", bettelt ein Mohamed, für dessen siebenköpfige Familie ein Essenspaket allein nie ausreicht. Die Bezeichnung "Baby" steht für Kind bis 16 Jahren. Auch Saleh hat sich bis an die Tütenausgabe durchgequetscht. "Schau dir das an, im Dreisekundentakt geben wir 3000 Tüten aus", erzählt einer der Helfer später und deutet auf einen Kurzclip auf dem Smartphone. 
Unter die Flüchtlinge, freiwilligen Helfer, Ärzte, Polizeibeamten und Journalisten haben sich tatsächlich ein paar Touristen mit Kameras gemischt - gucken kommen, wenn man eh schon im Griechenlanndurlaub ist. Ohnmächtige Wut kocht da stöhnend auf. Dafür fahren Privatleute ins Camp, öffnen den Kofferraum, verschenken Decken, Kleidung, Essen und manchmal sind kleine Spielsachen darunter. Ihre Fahrzeuge tragen Autonummern aus Griechenland, Mazedonien und sogar Ungarn. Für 25 Euro pro Person fährt ein Bus nach Athen, nicht alle haben das Geld. "Wo kommen die Menschen in Athen unter?", wird der Busfahrer gefragt. Manche können sich ein Hotel leisten, andere schlafen im Freien, sagt er. Mindestens zwei der anderen Camps sind auch bereits überfüllt. Ahlam harrt mit den Kindern auf jeden Fall aus. Nach der furchtbaren Fahrt über die Ägäis in die Türkei zurück? Das kommt nicht in Frage. 


Freitag, 18. März 2016

2016_03_17 Idomeni

2016_03_17

Ich schäme mich für die EU.

Im Café im Camp erzählt mir ein Flüchtling stolz, dass er mit Saddam Hussein gekämpft habe. Jungs aus Syrien, Pakistan und Irak sitzen dabei. Ein Junge sagt mir, dass seine ganze Familie tot. Alle Länder sind hier vertreten - und alle Kontrahenten. Afghanen und Arab-Syrer können überhaupt nicht miteinander klar kommen. Die Kurden sind still und halten sich von Krawallen fern. Wie geht das alles gut?

Ich habe mir zwei weitere Lager angeschaut, um meinen beiden Familien bessere Unterkünfte zu besorgen. Siam hat mich begleitet.

Das eine Lager in Neo Kastello bei Polykastro ist militärisch geschützt. Wir werden sofort angeschnauzt, was wir hier wollen und verschwinden sollen. Das Lager ist maßlos überfüllt. Ein Polizist meint, dass in Choni noch ein Lager sei.

Choni stellt sich auch als total überfüllt heraus. Die Polizei ist dort jedoch wesentlich freundlicher als in Neo Kastello. Derselbe beißende Gestank nach Gammel, Exkrementen und vielen Menschen hängt über dem Lager. Ein paar Flüchtlinge versuchen Äste eines Baumes abzureißen, um Brennmaterial für die vielen kleinen Lagerfeuer zu haben. Nicht gut.
Wir treffen ein paar Syrer, darunter eine Journalistin auf der Flucht. Sie berichtet, dass auch die Flüchtlinge in Choni keine Chance auf eine Dusche haben - und das seit über vier Wochen!

Wir fahren zurück nach Polykastro. Dort gibt es einen Lidl und ich kaufe mit Siam ein. Es ist Wahnsinn die vielen guten Lebensmittel zu sehen und den Teil eines normalen Lebens. 125€ kostet die Rechnung, aber dafür kann sich die neunköpfige Familie eine Zeit lang richtig satt essen. Zahnbürsten gibt es für die Kinder dazu.

Wir fahren im Kleiderlager vorbei. Für Allah, einen Freund von Bayan, finde ich feste Boots in Größe 45. Für Sabri und seinen Clan finden wir ein Zelt plus extra eine Plane. Kinderschuhe finden wir, das ist super.

Zurück im Lager helfen Ali und Sabri beim Ausladen der Sachen. Lauter strahlende Gesichter sehe :-)

In Idomeni kann geduscht werden. Für 7€ pro Nase!!! Klar,dass die Menschen sich das nicht leisten können. Ich habe rund 20 Personen plus zig weitere Leute.
Mir kommt die Idee, via Facebook Geld für eine Dusche aufzutreiben. Meine Freunde sind Gold wert :-)  Ständig bimmelt mein Handy, weil sich Spender melden.
"Wisst ihr was? Ihr dürft alle duschen gehen!" - Jubel :-)

Ich beantworte die Nachrichten. Im Hintergrund höre ich lautes Geschrei und ich denke zuerst, dass dort ein Fußballspiel stattfindet. Quatsch. Auf der anderen Seite des Lagers gehen Arab-Syrer auf Afghanen los. Der Grund ist offenbar zu wenig Suppe. Es ist zwei Stunden Krieg in Idomeni.

Ich besuche Bayan und Baby Taym plus ihr Gefolge. Die Jungs dort halten sich aus dem Krieg raus. Das Chaos ebbt ab. Bayan zeigt mir Fotos von ihrer Hochzeit. Sie vermisst Khaled so sehr. Ob er ein anderes Mädchen hat in Deutschland? Oh nein :-) Khaled wird fast verrückt vor Sorgen und schaut sich ständig Bayans Fotos an.

Ich erreiche niemanden auf der Deutschen Botschaft. Nicole ist in Deutschland an den Behörden dran. Oh Mann.

Montag, 14. März 2016

2016_03_14 Idomeni

Flug gestern war gut. Übergabe von Leihwagen auch, ein weißer Fiesta. Bin in der Nacht nach Idomeni gefahren, um die 100 km von Thessaloniki entfernt.

Um 2.30 Uhr angekommen. Ein paar Flüchtlinge aus Pakistan und Afghanistan getroffen, die wärmen sich an Holzscheiten und verbrennen Plastik und alte Klamotten.

Habe mich mit dem Auto außerhalb verdrückt und bis 9 Uhr auf der Rückbank geschlafen. Habe Durst und kein Wasser.

Morgens gleich ins Lager gefahren. Die Bilder sind surreal. Menschen schlafen in nassen Zelten, frieren. Wärmen sich an Feuern. Es stinkt nach verbranntem Plastik. Einige versuchen Wassergräben zu ziehen. Verzweiflung. Es geht nicht nach vorne und nicht zurück.

Eine Meldung rast durch das Lager. Eine grüne Grenze ist offen, Hoffnung. Sie müssen durch einen Fluss waten. Am Nachmittag die Nachricht, dass drei Kinder ertrunken sind.

Ich suche Bayan und finde sie ganz in der Nähe. Bringe ihr feste Schuhe aus dem Kreisel und ein Plüschtier von Khaled für das Baby. Bayan hat wenigstens einen trockenen Schlafplatz im Massenquartier.

Wir essen und es ist die Frage, wie es weiter geht. Vom Familiennachzug gibt es noch nichts Neues.
Irgendwie ist mein Handy verstellt. Ich habe Kontakt zu Sabri gefunden. Die Familie schläft in einem Hotel. Ich versuche, sie abends zu treffen. Hoffentlich funktioniert bis dahin das Internet.

21 Uhr Ortszeit, ich sitze mit anderen Journalisten in einem Café und habe WLAN. Ich erfahre von einem syrischen Journalisten, dass die Mazedonier alle Journalisten abfangen und die Kameras zerstören.
Ich trinke schwarzen Kaffee mit Zucker und rauche wieder.

Wir brechen gleich zum Fluss auf.










Samstag, 12. März 2016

2016_03_12 Hau Ruck nach - Idomeni

ES geht wieder los.

Diese Woche war ich hin- und hergerissen von Schlägen. Ein geniales Internationales Frauenfest zum 8. März ist organisiert. Einen Tag zuvor fällt eine der Musikerin, eine Gärtnerin, bei ihrer Arbeit um und stirbt an den Folgen. Das Fest wird komplett umgemodelt. Wir halten eine Andacht, versuchen der Betroffenen Kraft zu schicken. Der Abend klingt früher aus, alle sind betroffen.

Ich bin gerade bei einem Flüchtling im Zimmer, das Radio läuft. Die Nachrichten berichten, dass die Außengrenzen der EU geschlossen sind. Oh Nein! Zahlreiche Flüchtlinge hängen jetzt in Idomeni fest.
Darunter sind die Frau und das Baby eines "unserer" Flüchtlinge im Ort. Seit Wochen fiebern wir schon für Angehörigen. Von einem anderen Flüchtling hängen der Bruder mit Frau und drei kleinen Kindern in Idomeni fest. Vor zwei Wochen zeigte er mir noch ein Video von ihnen - fast live - wie sie in der Ägäis im Gummiboot niedergekauert mit vielen anderen Menschen hockten. Jetzt soll es in Idomeni zu Ende sein?

Die Bilder in den Nachrichten wühlen auf. Ein Baby wird in einem Zelt geboren, überall ist Schlamm. Regen, Dreck, Unglauben, Hoffnungsschimmer.

Ich muss da hin!

Beim DRK frage ich an und bekomme eine Ladung Rettungsdecken geschenkt. Mit Schuhen möchte ich auffüllen. Der Second Hand Kreisel spendiert mir einen Koffer. Nicole unterstützt mich. Behördenkram muss erledigt sein. Ich hoffe, dass ich die Angehörigen meiner Schenkenzeller Flüchtlinge rauszuholen kann.

Ein Facebookfreund spendiert mir einfach so 50€.

Jacqueline ist Reiseberaterin. Sie sucht mir einen Flug raus plus Übergepäck für die Hilfsgüter, bucht einen Fiesta. Dann habe ich gleichzeitig einen trockenen Schlafplatz, Stauraum für die Kamera, bin mobil. Alles in allem liege ich bei 600€. Ich habe ein bisschen was gespart.

Meinen Job bekomme ich nicht auf die Reihe. Ich hoffe, das gibt keinen Ärger. Den Verdienstausfall nehme ich in Kauf. Hoffe, dass ich den regelmäßigen Auftrag nicht verliere.
Vielleicht kann ich am Ende eine Reportage über Idomeni verkaufen. Ich bin nur so eine schlechte Geschäftsfrau.

Mein jüngstes "Patenkind", 17 Jahre, zeigt mir ein Foto von einem Freund. Der kam gestern mit seiner ganzen Familie ums Leben. Ein anderer Freund ist auch tot. Bombe. 

Ich hatte vor ein paar Wochen eine Bewerbung für die Flüchtlingshilfe losgeschickt. Die kam jetzt zurück. Ich wohl bin nicht qualifiziert genug *.... egal

Gestern war die Beerdigung der Musikerin. Ob ich Dudelsack spiele, werde ich vom Witwer gefragt. Wenn er das will - natürlich.
Nach der Beerdigung fahre ich mit einem Flüchtling zum Optiker, Brille für ihn abholen. Mich erreicht eine Whatsapp, dass eine Freundin im Hospiz liegt und bald stirbt. Nur Minuten später erreicht meinen Flüchtling die Nachricht, dass sein Onkel starb.
Kann das bitte aufhören?

Morgen, am Sonntag, startet mein Flieger Richtung Thessaloniki.