Samstag, 12. März 2016

2016_03_12 Hau Ruck nach - Idomeni

ES geht wieder los.

Diese Woche war ich hin- und hergerissen von Schlägen. Ein geniales Internationales Frauenfest zum 8. März ist organisiert. Einen Tag zuvor fällt eine der Musikerin, eine Gärtnerin, bei ihrer Arbeit um und stirbt an den Folgen. Das Fest wird komplett umgemodelt. Wir halten eine Andacht, versuchen der Betroffenen Kraft zu schicken. Der Abend klingt früher aus, alle sind betroffen.

Ich bin gerade bei einem Flüchtling im Zimmer, das Radio läuft. Die Nachrichten berichten, dass die Außengrenzen der EU geschlossen sind. Oh Nein! Zahlreiche Flüchtlinge hängen jetzt in Idomeni fest.
Darunter sind die Frau und das Baby eines "unserer" Flüchtlinge im Ort. Seit Wochen fiebern wir schon für Angehörigen. Von einem anderen Flüchtling hängen der Bruder mit Frau und drei kleinen Kindern in Idomeni fest. Vor zwei Wochen zeigte er mir noch ein Video von ihnen - fast live - wie sie in der Ägäis im Gummiboot niedergekauert mit vielen anderen Menschen hockten. Jetzt soll es in Idomeni zu Ende sein?

Die Bilder in den Nachrichten wühlen auf. Ein Baby wird in einem Zelt geboren, überall ist Schlamm. Regen, Dreck, Unglauben, Hoffnungsschimmer.

Ich muss da hin!

Beim DRK frage ich an und bekomme eine Ladung Rettungsdecken geschenkt. Mit Schuhen möchte ich auffüllen. Der Second Hand Kreisel spendiert mir einen Koffer. Nicole unterstützt mich. Behördenkram muss erledigt sein. Ich hoffe, dass ich die Angehörigen meiner Schenkenzeller Flüchtlinge rauszuholen kann.

Ein Facebookfreund spendiert mir einfach so 50€.

Jacqueline ist Reiseberaterin. Sie sucht mir einen Flug raus plus Übergepäck für die Hilfsgüter, bucht einen Fiesta. Dann habe ich gleichzeitig einen trockenen Schlafplatz, Stauraum für die Kamera, bin mobil. Alles in allem liege ich bei 600€. Ich habe ein bisschen was gespart.

Meinen Job bekomme ich nicht auf die Reihe. Ich hoffe, das gibt keinen Ärger. Den Verdienstausfall nehme ich in Kauf. Hoffe, dass ich den regelmäßigen Auftrag nicht verliere.
Vielleicht kann ich am Ende eine Reportage über Idomeni verkaufen. Ich bin nur so eine schlechte Geschäftsfrau.

Mein jüngstes "Patenkind", 17 Jahre, zeigt mir ein Foto von einem Freund. Der kam gestern mit seiner ganzen Familie ums Leben. Ein anderer Freund ist auch tot. Bombe. 

Ich hatte vor ein paar Wochen eine Bewerbung für die Flüchtlingshilfe losgeschickt. Die kam jetzt zurück. Ich wohl bin nicht qualifiziert genug *.... egal

Gestern war die Beerdigung der Musikerin. Ob ich Dudelsack spiele, werde ich vom Witwer gefragt. Wenn er das will - natürlich.
Nach der Beerdigung fahre ich mit einem Flüchtling zum Optiker, Brille für ihn abholen. Mich erreicht eine Whatsapp, dass eine Freundin im Hospiz liegt und bald stirbt. Nur Minuten später erreicht meinen Flüchtling die Nachricht, dass sein Onkel starb.
Kann das bitte aufhören?

Morgen, am Sonntag, startet mein Flieger Richtung Thessaloniki.

 
         

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