Heute um drei Uhr morgens Dienst gehabt. Das bedeutet,
dass der Wecker um 2.30 Uhr klingelt. Mit Emil habe ich die Schicht bis 6.30 Uhr
absolviert. Eine Zeit lang war es ganz ruhig und wir haben aufgeräumt, dann
ging die Post ab. Ich huste.
Mal wieder sind die Schuhe ausgegangen. Ganz schlimm,
dass auch die Socken ausgegangen sind. Die Leute werden jetzt definitiv krank.
Die Kinder leiden schwer. Man sieht die Strapazen allen an.
Emil lädt mich zum Frühstück in sein Womo ein. Mit
frischem Espresso, mmmh…
Mit Emil gehe ich danach zum Einkauf nach Vukovar. Erst waren
wir im Lidl, dann im Kaufland und schließlich auf dem Markt. Auf den Markt hätten
wir eigentlich zuerst hingehen sollen, um die Bevölkerung zu unterstützen. Nächstes
Mal.
Aber zurück in den Lidl. Kaffee, Milch, Gemüse, Praktiker
Emil will Kürbissuppe kochen. Da ein Regal: Das stehen Schuhe im Angebot. Gute,
feste stabile Schuhe, Größe 40 bis 44! Plötzlich sehe ich überall im Laden
Menschen laufen – und alle tragen Schuhe. Warme Schuhe, welche mit Pelz.
Saubere Schuhe. Bequeme Schuhe. „Wisst Ihr, wie gut es euch geht?“, möchte ich
allen rufen.
Ich schaue auf meine Füße, die stecken in den dicken
warmen Boots. Was bin ich für ein glücklicher Mensch! Die Schuhe vor mir möchte
ich am liebsten alle kaufen und mitnehmen. Nachdenklich ziehen wir weiter.
Mit dem Kasper zu den Kindern gegangen und riesig Spaß
gehabt. Den Ärzten von nebenan habe ich ein Stethoskop aus dem Bestand gebracht
und noch weitere Medikamente. Die haben gejubelt.
Dann ist mein Sprinter gefordert und wir räumen meine sieben Sachen aus. Gerne
doch. Es heißt, wir sollen Richtung Tovarnik fahren, Hilfsgüter können wir dort
abholen. Warme Jacken, Socken, Pullis, Kinderkleidung – und jede Menge guter
Schuhe. Was für ein Glück!
Zu dritt düsen wir los. In einem Haus lagern etliche
Kisten. KLASSE!
Vor dem Haus brutzelt ein Spanferkel über dem Grill.
Morgen ist eine Hochzeit, schmunzeln zwei bärbeißige rustikale Kroaten
verschmitzt. Probiert vom selbstgebrannten Slivovic! Wir widersprechen noch,
als der Schnaps in die Gläser blubbert. Man ist ja nicht unhöflich. Živjeli – Prost.
Wir beladen weiter. Wollt Ihr noch einen? Nein….!
Der Sprinter ist voll und erst nach einem weiteren
Slivovic dürfen wir – äußerst gut gelaunt – weiter fahren. Gut, dass die
Polizei mit den Flüchtlingen gerade so eingespannt ist. Unsere Ladung ist
ruckzuck entladen. Super.
Ab ins Camp.
Wo kommen wir hin? Werde ich immer gefragt. Was verflixt antworte
ich da?
Ein syrischer Mann kommt auf mich zu. Sagt mir, sein Sohn
ist taubstumm. Welches europäische Land ist besser für meinen Sohn? Deutschland
oder Schweden?
Oh Himmel, was antworte ich? Ich überlege…. Deutschland
ist nicht schlecht. Aber ich glaube, Schweden fördert Behinderte besser. Ich schicke
ihn nach Schweden. Machs gut!
Wo kommen wir hin? Eine Art Machtlosigkeit ist die Frage. Sie treiben im Strom und werden irgendwo an Land gespült. Allein der Rettungsring ist die Hoffnung auf ein besseres Leben.
Warum kann die EU hier nicht zusammenhalten? Eine gute und menschliche Lösung für die Flüchtlinge finden?
Wo kommen wir hin? Eine Art Machtlosigkeit ist die Frage. Sie treiben im Strom und werden irgendwo an Land gespült. Allein der Rettungsring ist die Hoffnung auf ein besseres Leben.
Warum kann die EU hier nicht zusammenhalten? Eine gute und menschliche Lösung für die Flüchtlinge finden?
Wann kommen wir weiter?
Das kann mittags sein, aber auch nachts um 4 Uhr. Solange
müsst Ihr mit den Kindern warten. Haltet durch.
Wieso soll ich meine Fingerabdrücke abgeben? Was machen
sie damit?
Manchmal bin ich schon nah am Wasser gebaut. Könnte
heulen vor Mitleid und vor Freude, wenn etwas gut läuft. Reiß dich zusammen.
Im Lager werden die Flüchtlinge kalt durchgeschleust. Sie
wissen nicht, wann der nächste Bus kommt der sie weiter bringt. Es wird ihnen
zwar offiziell gesagt, aber sie wissen trotzdem nicht, wohin sie kommen und was
als nächstes passiert. Das Phlegma der Strapazen lässt sie nur noch mechanisch weiterlaufen.
Sie essen das Toastbrot, die Sardinen und den Tunfisch aus den Dosen und ein
wenig Obst. Frauen, Männer, Kinder.
Die Menschen schlottern eingehüllt in den grauen Decken
vor sich hin. Kauernd warten sie ab, wohin die Polizei sie als nächstes dirigiert.
Die ist oft nett. Aber vor Stress sind auch die Polizisten nicht gefeit. Psychische
wie physischer Grenzerfahrungen gibt es für alle genügend.
Am Ende bleiben Berge von Regencapes, Sardinendosen,
Decken und alten kaputten Schuhe auf dem Boden liegen. Im nächsten Rutsch kommt
der Reinigungstrupp in den Sektor. Alles wird aufgesammelt. Die Zelte werden
desinfiziert und das ist auch gut so.
Bald erwarten sie neue Gäste.
Sprinter voll! |
Slivovic Runde 1. |
Aus der Limoflasche. |
Hochzeitsvorbereitung auf kroatisch. |
Arme Sau.... |
Kampfkuscheln. |
Planen befestigen. |
Danke für die tollen Päckchen :-) |
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